Düstere Blüten

Düstere BlütenblätterWendet man den Blick nach rechts, tummeln sich dort neuerdings wieder erschreckend viele Gestalten. Ließen sich vor 30 Jahren vielleicht ein paar Jungs mit kurzgeschorenen Haaren und leicht deutbaren Klamotten-Labels blicken und versperrten fast die Sicht auf vorsichtig an die Wand gedrückte Vertriebenenfunktionäre und klammheimliche Sympathisanten vom Rand des Bürgertums, treibt das, was in unserer Gesellschaft lange als das Ewiggestrige galt, heute mannigfaltig düstere Blüten.

Dass politisch Radikale die Namen und Adressen von Andersdenkenden und „Gegnern“ sammeln, ist nichts Neues. Dass eine als rechtsradikal geltende Gruppe 25000 solcher Namen zusammengetragen hat und dass ihre Mitglieder Leichensäcke und das aus Krimis bekannte Desinfektionsmittel Löschkalk bestellt haben, sorgt jedoch zu Recht für Aufsehen. Es sollen sogar ehemalige und aktive Polizisten dieser Vereinigung angehören. Szenen aus Kino-Thrillern, die man mit wohligem Schauer weit entfernt von der eigenen Lebenswirklichkeit wähnte, sind in bedrohliche Nähe gerückt.

Fast schon ironisch wird der Begriff Reichsbürger oft gebraucht. Man denkt an Pickelhauben, Säbelrasseln und Karneval. Doch ganz unverblümt äußern Angehörige dieser Gruppierung, dass sie unseren Staat ablehnen. Als wäre er, der Staat, eine kleine Aufmerksamkeit zum Geburtstag, die man höflich ausschlägt!
Höflichkeit allerdings ist durchaus nicht das Kennzeichen dieser Gruppe. In letzter Zeit fallen Reichsbürger durch aggressives Verhalten Behördenmitarbeitern gegenüber auf. Der Staatssekretär im Kieler Innenministerium, Torsten Geerdts, spricht von „hohem Gefahrenpotenzial“.

Unsere Verfassung im Visier

Düstere Wolken von rechtsDer Hamburger Innensenator Andy Grote verallgemeinert die Beobachtung aus Kiel: „Rechts- und Linksextremisten, Islamisten, aber auch so genannte ‚Reichsbürger’ und Scientologen nehmen unsere Verfassung ins Visier. Aktuell steht insbesondere die Bedrohung durch den Rechtsextremismus im Vordergrund.“
Der Hamburger Verfassungsschutz wurde als Konsequenz daraus personell aufgestockt. Der Innensenator will an Ermittlungserfolge anknüpfen, die bereits im Umfeld der „Merkel-muss-weg“-Demos erzielt wurden.

An anderer Stelle lassen ersehnte Erfolge auf sich warten. So scheinen die Verknüpfungen des NSU-Netzwerks auch sechs Jahre nach Beginn des aufwändigen Prozesses noch lange nicht zerschlagen zu sein. Die Tatsache, dass der mutmaßliche Waffenvermittler im Mordfall Lübcke, Markus H., in den Akten des hessischen NSU-Untersuchungsausschusses auftauchte, legt diesen Schluss jedenfalls nahe.

Ein entschlosseneres Kappen der düsteren Blüten, die auf dem rechten Nährboden austreiben, tut not.


Fotos: Thomas Schmitt-Schech

Über Karla Letterman

Krimiautorin und Kolumnistin aus Lübeck. Stammt aus dem Harz und hat in Göttingen und Hamburg gelebt.
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