Menschen, die sich Reichsbürger nennen, erkennen weder die Verfassung noch die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland an – geschweige denn ihren völkerrechtlichen Status. Es klingt erst einmal drollig, wenn Gruppierungen eigene „Reichsführerscheine“ ausstellen und von Deutschland im Kriegszustand schwafeln.
Doch ganz so harmlos sind diese Nicht-Mitbürger/innen nicht: die Zahl der Gewalttaten durch Angehörige der Gruppe ist 2018 gegenüber dem Vorjahr gestiegen. „Die Bewegung der Reichsbürger gilt als sicherheitsgefährdend und wird seit Herbst 2016 vom Verfassungsschutz beobachtet“, berichtet Zeit Online.
Die Gruppierungen werden häufig – vermutlich wegen der wörtlichen Bezugnahme aufs „Reich“ – als Rechtsextreme eingeordnet, doch das Spektrum ist breiter. In einer Handlungsempfehlung des Schleswig-Holsteinischen Innenministeriums heißt es:
In der „Reichsbürgerbewegung“ findet sich außerdem ein Gemenge an Ideologien, welche von rechtsextremistischen Bestrebungen bis hin zu esoterisch ökologisch angereicherten Verschwörungstheorien reichen. Rivalitäten sowie Vermengung und Gewichtung der Ideologiefragmente führen in der „Reichsbürgerbewegung“ dazu, dass ihr ein zusammenführender Überbau fehlt.
Doch auch umgekehrt lässt sich argumentieren: Wer der Bundesrepublik Deutschland die Souveränität abspricht, fügt dem braun-schattierten Puzzle ein weiteres Teilchen hinzu.
„Spielarten“ des Nordens
Auch wenn die Pressemeldungen über den neuen schleswig-holsteinischen Verfassungsschutzbericht (von 2018) den islamistischen Extremismus in den Vordergrund rücken, kommen auch populistisch argumentierende Medien nicht an der Erkenntnis vorbei:
Insgesamt bewegte sich die politisch motivierte Kriminalität mit 1215 Taten etwa auf dem Niveau des Vorjahres – davon mehr als die Hälfte im „Phänomenbereich Rechts“ (672 – 2017: 632 ) und mehr als ein Viertel im „Phänomenbereich Links“ (337 – marginal weniger als 2017).
Dieser „Phänomenbereich“ umfasst diverse – benennen wir sie ruhig zynisch – Spielarten. Es gibt nicht nur bei den selbst ernannten Reichsbürgern diverse Grauzonen. Insgesamt könnte man von den berühmten „fifty shades“ sprechen, in diesem Fall „of brown“.
Das sind nicht nur Nachbarn, die sich nach dem dritten Bier geringschätzig über „die Asylanten“ äußern. Im Internetzeitalter erwachsen neue Färbungen des altbekannten Grundtons gleichsam aus den Suchbegriffen. So lehrt die „Nordic Division“ nicht in erster Linie Grundrechenarten, und die „Nordadler“ üben das Fliegen seit zwei Jahren – leider mit Waffenunterstützung. Man kann ihnen nur besonders hartes Landen wünschen.
Fotos: Karla Letterman