Leseprobe aus „Mörderische Masche“

Das Frollein stellte die neuesten Wollsorten vor. »In den vergangenen zwei Monaten ist in der Handarbeitswelt einiges passiert«, begann sie. »Volumen wird nicht nur durch üppige Fäden erreicht, sondern auch durch Raffinesse.« Sie hielt ein blassgelbes, mit roséfarbener Papierrosette umwickeltes Knäuel in die Luft. »Hier sehen Sie ein Mischgarn mit absichtlich unregelmäßig gewebtem Faden.« Gleich darauf präsentierte sie karamellfarbene Wolle. »Außerdem das innovative Schlauchbändchengarn.« Dann nahm sie ein grasgrünes Knäuel zur Hand, das sie auf dem Tisch zurechtgelegt hatte. »Hier noch ein superweiches Flauschgarn für Babysachen, endlich einmal in kräftigen Farben statt immer nur in Pastelltönen.«

Ein rotes Wollknäuel mit 2 StricknadelnHenri konnte nicht anders, er beobachtete die ganze Zeit aus dem Augenwinkel Sabine Oltrogge, die Schwiegermutter des Rinderbarons. Wie ausladend sie ihre Stricknadeln auf dem Tisch platzierte! Wie wenn man sein Revier absteckt. ›Eifersucht ist eine Leidenschaft‹, hatte sein Kupel Max gesagt.

Leidenschaft, verbunden mit Aggression – war diese Kombination etwa der Schlüssel zu dem Unglück, das seiner Frau widerfahren war? Er musste dieser Matrone auf den Zahn fühlen!

Als sich die Damen nach dem offiziellen Teil des Strickzirkels erhoben, um noch ein wenig in den Wollregalen zu stöbern, umrundete Henri schnell den Tisch. »Sie kannten meine Frau Maike, nicht wahr?« Er sah Sabine Oltrogge ins Gesicht.

»Ja, natürlich, sie leitete doch den Strickzirkel bis …«

»Ich spreche nicht nur von Handarbeiten. Ich meine auch … privat.«

»Ach so … nun ja – eigentlich nicht.« Henri fühlte sich von einem lauernden Blick taxiert.

»Ach, kommen Sie – Sie haben sie auch auf dem Hof Ihres Schwiegersohns getroffen.« Sie sah ihn einfach nur abwartend an. Er musste eine Schippe drauflegen, um sie zu einer Antwort zu provozieren. »Und ich schätze, das war Ihnen gar nicht recht.«

»Wie bitte?« Oltrogge, die gerade noch einmal ihr Glas erhoben hatte, hielt in der Bewegung inne und schnaubte. Dann stellte sie das Glas mit Nachdruck auf den Tisch zurück. Ihre prallen Wangen schienen sich noch weiter aufgebläht zu haben, sodass die sowieso schon kleinen Augen kaum noch mehr als Schlitze waren. Ihre Stimme wurde gefährlich leise. »Sie haben bestimmt ein Problem mit dem Tod Ihrer Frau, das versteht man ja. Aber mich und meine Familie lassen Sie gefälligst aus dem Spiel!«

»Aus dem Spiel? Spiel? Was reden Sie denn da!« Henris Hirn brodelte und förderte die Bilder einzelner, wie von Spotlights erhellter Szenen zutage. Maikes lebloser Körper, die resignierenden Rettungssanitäter, der zu spät gebändigte Bulle. »Wie können Sie es wagen, von einem Spiel zu reden!«

Die Damen an den Regalen sahen verstohlen zu ihnen herüber. Henri wünschte sie sonst wohin. Er konnte sich jetzt nicht zusammenreißen.

Oltrogge zerrte ihren Stoffbeutel vom Tisch. »Was wollen Sie überhaupt von mir? Ich verbitte mir diese Unterstellungen! Ich sage es noch einmal: Lassen Sie meine Familie aus dem Spiel!« Mit hochrotem Kopf stürzte sie nach draußen.

Henri sank in den Lehnstuhl, der ihm am nächsten stand.