Die Frau im Trench aus „Jenseits der Spur“

Eine Straße mit gelber FahrbahnmarkierungAls er die energischen Schritte im Flur hörte, war Aisner klar, dass es mit dem frühen Aufbruch nichts würde. „Alois!“, kam der Kollege vom Empfang ohne Klopfen ins Zimmer gestürzt. „Hier sind Zeugen, die eine Beobachtung zu melden haben. Ehepaar Ansorge.“ In seinem Schlepptau folgte ein ältliches Paar.

Beide, Mann und Frau, sahen sich mit geweiteten Augen im schmucklosen Büro um. Jetzt vergleichen sie die Realität mit ihren ‚Tatort’-Bildern, schoss es dem Kommissar durch den Kopf, sie suchen die klebenden Scheiben und all den interaktiven Schnickschnack. Der Blick des Mannes blieb am Whiteboard hängen, das seine besten Tage hinter sich hatte.

„Tja, also, soviel haben wir gar nicht gesehen“, murmelte Hertha Ansorge und begann Aisner mit dem gleichen neugierigen Blick zu mustern wie zuvor das Büro.
„Ist doch Quatsch!“, brummte ihr Mann. „Wir haben alles gesehen, was man nur sehen konnte. Erst die Explosion, dann die komische Frau.“

„Die komische Frau?“, echote Aisner. „Das erklären Sie etwas genauer, bitt’schön!“

Während die beiden über die Explosion nichts Neues zu berichten hatten, weckte die Schilderung der Frau, die Friedensreich Ansorge in Tatortnähe gesehen hatte, Aisners Aufmerksamkeit.
„Das ist eine, wo man denkt, die ist magersüchtig“, begann der Mann seine Beschreibung. „Die wirkt so verhärmt, obwohl sie noch gar nicht alt ist. Könnte ganz hübsch sein. Äh – vielleicht“, schränkte er mit einem Seitenblick auf seine Ehefrau ein. „Wenn sie nicht so nervös wäre. Zuckt nach hier, zuckt nach da. Das Kinn sieht direkt spitz aus. Und sie trägt immer so weite Klamotten. Da sieht man nicht, wie dünn sie wirklich ist.“

„Können Sie die Kleidung genauer beschreiben?“ – „Heute hatte sie einen hellen Trenchcoat an.“ – „Haarfarbe? Augenfarbe?“ – „Also, Herr Kommissar, wenn ich die Augenfarbe auf die Entfernung erkannt hätte, wäre ich ja so was wie ein Hellseher“, scherzte der Mann.

Seine Frau, die unruhig auf dem Stuhl herumgerutscht war, platzte heraus: „Ist doch egal, ich weiß ja, wer die ist!“ Aisner widerstand der Versuchung, mit den Augen zu rollen. „Dann lassen Sie mich doch an Ihrem Wissen teilhaben, gnä’ Frau“, bat er betont höflich.

Alois Aisner wird die geheimnisvolle Frau im Trench bald persönlich kennenlernen. Wie das Treffen abläuft, erfahren Sie bei der Lesung „Harzkrimis on tour“ in der Gemeindebibliothek Bovenden am kommenden Freitag, 26.4., 15.30 Uhr.

Für alle, die nicht dabei sein können, gibt es den Roman „Jenseits der Spur“ ab sofort im Handel!

Über Karla Letterman

Krimiautorin und Kolumnistin aus Lübeck. Stammt aus dem Harz und hat in Göttingen und Hamburg gelebt.
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