Der lange Weg zur Lesung

Karla Letterman bei einer Lesung in DuderstadtFreitag, ein Tag Urlaub vom Brotjob; der Plan: Fahrt nach Duderstadt zur Lesung. Vorher: Treffen mit Claudia Nachtwey, Blick hinter die Kulissen ihres tollen neuen Eichsfeld-Blogs, ein Käffchen zur Stärkung, dann gemütlich zum Alten Rathaus. Die Fahrt mit der Bahn war lange vorher gebucht – nur zweimal umsteigen, alles kein Problem.Mein Gepäck besteht aus leichter Kleidung, Kulturtäschchen, Buch und – natürlich – Hut. Diesmal ist die Wahl auf Marlene gefallen, einen Glockenhut im Stil der 1920er Jahre. Der Rucksack ist nicht schwer, meine Laune gut, selbst die drei lärmenden Schulklassen in der Regionalbahn können sie nicht trüben.

Alles bestens also. Bis Hannover. Dort werden alle Fahrgäste mit Reiseziel Göttingen aus dem Zug heraus komplimentiert. Man müsse ab Hannover eine Umleitung nehmen und könne die Unistadt daher leider nicht anfahren.

Die Ursache ist tragisch, wie man am Bahnsteig erfährt: Zwischen Alfeld und Freden wurde ein Mann vom ICE erfasst, wahrscheinlich ein Selbstmörder. Die Streckensperrung kann dauern, drei Stunden, sagt eine nette Schaffnerin. Das Problem: natürlich kann nun auch kein anderer Zug die Route nach Göttingen nehmen.

Kleiner Umweg über Kassel

Die Lösung klingt gut: Man steige in einen Zug Richtung München, fahre bis Kassel und peile dann Göttingen von Süden aus an. (Äh – dann hätte ich in meinem ICE sitzen bleiben können…?!)

Gesagt, getan. Der nächste Zug ist überfüllt, kein Wunder, es ist Freitag, früher Nachmittag. Auf der Fahrt frage ich Verbindungen ab wie der Teufel, dabei kristallisiert sich heraus, dass ich es noch rechtzeitig zur Lesung schaffen werde. Erfahrene Bahnfahrerin, die ich bin, habe ich mir schließlich gut drei Stunden Puffer eingebaut. Allerdings muss ich Claudia informieren, dass Blog-Stunde und Käffchen entfallen. Seufz – schade!

Ob ich lieber auch Verleger Helmut Exner anrufe und ihn vorwarne, dass ich evtl. später erscheine als verabredet? Ach, ich warte mal. Den Zug 16.45 von Kassel nach Göttingen müsste ich erwischen, dann klappt noch der Busanschluss um 17.10 Uhr nach Duderstadt, sodass ich um 18 Uhr da bin und noch eine Stunde Zeit bis zum Beginn der Lesung habe.

Natürlich beeinträchtigt die Streckensperrung Freden – Alfeld auch andere Fernzüge. Der Umweg kostet mehr als eine Stunde Zusatzzeit, Pläne müssen umgestellt werden, das Zugpersonal muss länger arbeiten.  Auch ein Lokführer hat die Pausenzeiten einzuhalten. Das bekomme ich in Kassel zu spüren: Der Mann muss die vorgeschriebenen 30 Minuten ausruhen, mein Zug verlässt den Bahnhof erst um 17.16 Uhr. Jetzt wird es doch eng: Mit großem Glück kann ich 18.43 Uhr am ZOB in Duderstadt sein, verdammt! Ich schicke meinem Verleger eine panisch angehauchte SMS.

Gerade noch rechtzeitig bei der Lesung

Doch ich habe Freunde! Claudias Mann Dirk lässt alles stehen und liegen und holt mich aus Göttingen mit dem Auto ab. Ich treffe am Alten Rathaus zusammen mit Sascha und Helmut Exner vom EPV-Verlag ein. Die Autorenkolleg*innen sind schon da.

19 Uhr. Alle sind im wunderbaren historischen Bürgermeisterzimmer versammelt. Petra Böning, Leiterin der Stadtbibliothek begrüßt launig die Gäste, dann sagt Helmut Exner ein paar Worte zum Programm des Abends. Ich trinke vom bereitgestellten Wasser, dann bin ich auch schon dran. Für Aufregung hatte ich keine Zeit. Verdammt, man kann sich aber auch auf nichts mehr verlassen! 🙂


Foto: Monika Wildner

Über Karla Letterman

Krimiautorin und Kolumnistin aus Lübeck. Stammt aus dem Harz und hat in Göttingen und Hamburg gelebt.
Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.