Bloß keine Symbolik jetzt!

Umgestürzte Bäume am StrandAls ich nach der Sturmflut am Brodtner Ufer spazieren ging, fielen mir die Veränderungen sofort auf. Wo vorher Sandstrand gewesen war: alles voller Steine! Mülltonnen und Schilder: umgekippt. Bäume: noch mehr entwurzelt. Und doch strahlte das Ufer vor Schönheit. Das erste, was mir dazu in den Kopf kam, war: oh, ein Symbol! Um gleich darauf zu denken: Bloß keine Symbolik jetzt!

Dinge, die negativ aufallen, betrachtet garantiert gleich jemand als Symbol für die Krise. Schönheit und Anmut werden sofort als Hoffnungsschimmer verbucht. Und wie oft muss wohl bald wieder der sprichwörtliche Silberstreif am Horizont als Vergleich herhalten…

Strand voller Steine - bloß keine Symbolik Umgekippte Mülltonnen am Strand

Auch ich empfinde angesichts oft bemühter Bilder – Blume im Asphalt, schwarzes Schaf – Überdruss. Doch: Man wird ja wohl noch sein eigenes Sinnbild finden dürfen? Dachte ich, als mich die Versuchung überkam, die Zeit nach der Sturmflut als Nachkrisenzeit zu verallgemeinern.

Einsamer Spaziergängen am Strand

Dann jedoch besann ich mich. Bloß keine Symbolik jetzt! Denn die Corona-Pandemie ist im wahrsten Wortsinn beispiellos. Alle Metaphern, die mir in den Sinn kommen könnten, würden zu kurz greifen. Ein abgerissenes Brückengeländer: lächerlich. Ein steiniger Weg: na und? Ein paar umgekippte Aufsteller: irrelevant. Angesichts der globalen Krise kann ich mir keine Analogie erlauben. Abgesehen davon, dass gut klingende Sätze gern als Werbespruch missbraucht werden, ist das allzu schnell Einleuchtende oft nicht auf Dauer überzeugend.

Angler am Strand in TravemündeUnd deshalb konzentrierte ich mich bei meinem Spaziergang schließlich auf das Augenscheinliche und Naheliegende.

Viele Steine wurden angeschwemmt, aber der Weg unter der Steilküste ist gut begehbar. Einige Mülltonnen wurden umgekippt, doch der Kurbetrieb Travemünde wird sie erfahrungsgemäß schnell wieder aufgestellen. Die entwurzelten Bäume werden zusammengeräumt und sind ein malerischer Anblick. Die ersten Angler sind längst wieder am Start.

Und am Himmel haben sich Schönwetterwolken formiert. Da kann man ja wohl mal für ein paar Stunden den Silberstreif vergessen.


Fotos: Karla Letterman

Über Karla Letterman

Krimiautorin und Kolumnistin aus Lübeck. Stammt aus dem Harz und hat in Göttingen und Hamburg gelebt.
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