Immer wenn ich einen Tulpenstrauß welken sehe, denke ich: wie würdevoll! Ich weiß nicht genau, woran es liegt, denn man kann schließlich nicht behaupten, die Blumen blieben aufrecht. Im Gegenteil, gern neigen sich Stängel und Blätter zur Seite, und auch die Blütenblätter geben ihre gerade Haltung auf. Dennoch bewahren sie eine Anmut, die vorbildlich ist. Können wir Menschen davon lernen?
Die Blütenblätter werden durchscheinend und sehen dabei sehr fein aus. Wenn unsere Haut durchscheinend wird, sieht man in einem dumpfen Blau das Geäst der Adern durchschimmern – das wirkt eher grob. Krähenfüße und allerlei weitere Falten zeichnen sich ab – kein Vergleich zur exquisiten Seidenpapier-Anmutung der Tulpen!
Um jung zu wirken, zwängt sich manch alternder Mensch in hautenge Jeans und kauft sich die hippsten Sneakers. Von hinten bemerkt man vielleicht den etwas steifen Gang, der nicht recht zum jugendlichen Outfit passen will. Richtig gruselig wird es aber von vorn, wenn das runzlige Gesicht sozusagen die Grimasse des Todes erkennen lässt.
Würde geht anders. Aber wie?
Wenn das, was man herzeigt, an Ästhetik verliert, gibt es nur eine einfache Möglichkeit – abdecken! Deshalb lautet mein Vorschlag: Man lege sich eine Sonnenbrille mit möglichst ausladenen Gläsern zu und bedecke den faltigen Hals mit feinem Tuch. Aus langfädrigem, dünnen Garn lässt sich schnell etwas selbst häkeln oder stricken.
Was die Kleidung betrifft, meide man Hosen und Hemden, die für junge Menschen gemacht sind. Kurze Hosen und schulterfreie Tops zeugen von falschem Ehrgeiz!
Man bleibe man selbst! Einen gebeugten Rücken lächelt man sanft hinweg, und dabei darf man auch gern die Sonnenbrille abnehmen und Lachfältchen zeigen. Es heißt: Tapfer bleiben angesichts des Alterns, dann überzeugt die innere statt der äußeren Haltung …
Fotos: Karla Letterman