Meine Großmutter nannte die hübschen gelben Frühjahrsblüher nicht „Schlüsselblume“, sondern „Himmelschlüsselchen“. Und so stellte ich mir als Kind immer vor, man könne damit bis ganz weit in den Himmel vordringen.
In Sagen und Mythen schließen geheimnisvolle Elfen und weiße Frauen mit den Blüten Schatzkammern auf. An einem Tag wie heute, mitten in der gespenstischen, lethargischen Stimmung der Corona-Krise, erschließt das kleine gelbe Blümchen den Zugang zum Herzen.
Zu meinem jedenfalls. Denn als ich eben auf dem Balkon nachschaue, welche Pflanze Wasser möchte, entdecke ich die ersten Blüten Primula officinalis, wie ihr botanischer Name lautet.
Gestern waren es noch hellgrüne Knospen, die sich kaum von den Blättern abhoben. Und auch da wurde mir schon warm ums Herz, denn die Pflanze hat bereits das dritte Mal auf dem Balkon überwintert. Sie stammt aus unserem früheren Garten und war nicht beleidigt, als sie eingetopft wurde.
Außerhalb des eigenen Gartens darf man Schlüsselblumen nicht einsammeln, weil sie unter Naturschutz stehen. Doch sie werden auch gezielt angebaut und als Heilpflanzen eingesetzt. Die Wirkstoffe der Wurzeln, Rhizome und Blüten wirken schleimlösend und entkrampfend.
Den Zusammenhang zwischen der jetzigen Krisenzeit und Blumen wie dieser stellt ein Zitat her. Vincent van Gogh sagte:
„Die Normalität ist eine gepflasterte Straße; man kann gut darauf gehen – doch es wachsen keine Blumen auf ihr.“
Fotos: Karla Letterman