„Nichts“ – nichts sagt sich so leicht und denkt sich so schwer

Enten auf der Ostsee - mit Blick ins Nichts

Das Nichts, die große Leere?

Seit dem 16. Januar 1973 gibt es in den Vereinigten Staaten den National Nothing Day, den „Nichts-Tag“ also. Gemeint ist er als Aufruf zum Nichtstun.
Doch wenn man dann so dasitzt und bemüht ist, nichts zu tun, fragt man sich womöglich, ob man wenigstens darüber nachdenken dürfe, was „nichts“ sei. Und schon ist man mitten drin: in der Logikfalle! Auch in deutschsprachigen Kalendern wird auf den Nichts-Tag verwiesen – und sei es nur, um sich über einen kuriosen Gedenktag lustig zu machen.

Wer allerdings aus Versehen mit dem Nachdenken beginnt, hat schnell raus, dass schon die Vorsokratiker – also griechische Philosophen rund 500 Jahre vor Christus – sich an dem Wesen des Nichts die Zähne ausbissen. Parmenides vertrat die These, dass nur das Seiende sei. „Klar“, ist man geneigt zu nicken, „was denn sonst?!“ – doch in Wahrheit handelt es sich um eine radikale Aussage. Denn daraus folgt, was Parmenides auch explizit vertrat: „Nichts ist nicht“.

„Hä, nee, wieso auch?“, reibt man sich vielleicht, noch unausgeschlafen, die Augen. „Sagt doch schon der Name. Nichts. Nicht. Alles eine Soße.“

Das Problem: wenn man voraussetzt, dass etwas nicht nicht ist, dann kann das Seiende weder entstehen noch vergehen. Veränderung wäre also leider nicht im Sein inbegriffen. Passt schon…? Am Nichts-Tag vielleicht.

Platon und das Sein des Nichtseienden

Clevere Köpfe wie Aristoteles und Platon (ca. 4. Jh. V. Chr.!) deckten den Widerspruch auf. Vom „Nichts“ könne man allein schon in vielfältiger Weise reden: vom Nicht-Seienden. Vom Nicht-Existierenden. Vom Potenziellen. Vom Schein im Gegensatz zur Wirklichkeit. Platon war sicher, das „Sein des Nichtseienden“ beweisen zu können.

Oder ist das Nichts eine große Leere? Demokrit (ca. 400 v. Chr.) sagt, darin bewege sich das Seiende, sprich die Atome.
Längst passé, das Thema?
Auch Kierkegaard, Jaspers, und Sartre (19. Und 20. Jahrhundert) befassten sich mit dem Nichts, das sie ins Verhältnis zur Freiheit des Menschen setzten. Damit sind Veränderung, Entstehen und Vergehen möglich. Und Entscheidung.

Anarchisch

Passé?
Angesichts der immer rasanter werdenden Veränderungen durch die digitalisierte (Arbeits-) Welt mag es anarchisch wirken, sich mit den Wurzeln unseres Seins zu befassen. Denn ernsthaftes Sinnen verträgt eines nicht: Hektik. Und könnte deshalb heutzutage als Nichts-Tun durchgehen. Ein prima Plan für den 16. Januar, nicht wahr?


Foto: Karla Letterman

Über Karla Letterman

Krimiautorin und Kolumnistin aus Lübeck. Stammt aus dem Harz und hat in Göttingen und Hamburg gelebt.
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