Frauenwahlrecht – oder: Wenn die Parodie misslingt

100 Jahre Frauenwahlrecht in Deutschland! Ich habe versucht, mich dem Thema ironisch zu nähern. Etwa, indem ich mich über alle nach Gebetsmühle klingenden Parolen lustig mache: mehr Hausarbeit an Männer delegieren! Oder: Aufpassen, dass der Zug nicht rückwärts fährt!
Auch hatte ich überlegt, eine Parodie mit Bezug zur Auswahl beim Shoppen zu schreiben. Doch die lustigen Gedanken kamen nicht recht in Gang; je mehr ich mich um sie bemühte, desto mehr fiel mir Ernsthaftes ein. Etwa nach folgendem Schema.

Beschimpfte Kommentatorinnen

Was wird im Kontext der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau immer wieder zitiert? Na, zum Beispiel der Versprecher der ersten „Sportstudio“-Moderatorin Carmen Thomas. Das war 1973 – kalter Kaffee also! Leider nicht wirklich: Man erinnere sich an die Schmähungen, die die Fernsehkommentatorin Claudia Neumann während der Fußball-WM im vorigen Jahr treffen sollten.

Auch wird (zurecht) immer wieder darauf hingewiesen, dass deutsche Frauen bis 1962 nicht selbstständig ein Bankkonto eröffnen durften. Oder dass sie noch bis 1977 die Zustimmung ihres Ehemannes brauchten, um bezahlter Arbeit nachzugehen.

Nicht mehr vorstellbar, heute in Deutschland – nicht wahr?
Nein, nicht wahr! Familien aus anderen Kulturkreisen ticken anders. Ich möchte nicht wissen, wie viele starke Frauen, die selbst die Qualen einer langwierigen Flucht überstanden haben, sich im Alltag nicht gegen ihren Ehemann durchsetzen können, der noch seine Rolle als Herr und Gebieter spielt. Früher dachte ich, Äußerungen zur Unterdrückung muslimisch erzogener Frauen wären Vorurteile – bis ich die Autobiographie „Mein Leben, meine Freiheit“ von Ayaan Hirsi Ali las.

Wertvorstellungen

Zum Thema Einmischung des Westens in eine Reform des Islam äußerte sie sich sehr plausibel im Interview:

„Bestimmte Wertvorstellungen schließen einander aus: Entweder man glaubt an gleiche Rechte für Männer und Frauen oder eben nicht. Scharia und Gleichberechtigung können nicht nebeneinander existieren. Vielleicht besteht der eigentliche Rassismus darin, bestimme Rechte als Privilegien des weißen Mannes anzusehen.“

Also, liebe Frauen, es gibt weiterhin viel zu tun an der Gleichberechtigungsfront. Denn, jawohl, es ist, zumindest in Teilen, immer noch eine Front.
Eigentlich kein Wunder, dass mir dazu nichts Witziges eingefallen ist.


Foto: pixabay

Über Karla Letterman

Krimiautorin und Kolumnistin aus Lübeck. Stammt aus dem Harz und hat in Göttingen und Hamburg gelebt.
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