Lang, klein, kurz, groß nach Belieben

Kurzgeschichte und RomanSowohl beim Schreiben als auch beim Handarbeiten kann man sich nach Belieben für die kleine oder für die große Form entscheiden. Manchmal möchte ich schnell einen Erfolg sehen, brauche das Gefühl, etwas geschaffen und geschafft zu haben. Dann schnappe ich mir zwei, drei Restknäuel und häkele ein Blümchen – in der Gewissheit, dass es weitere derartige Anwandlungen gibt. Nach und nach werde ich also genügend Blüten für ein größeres Projekt beisammen haben.

Beim Schreiben gestaltet sich die Frage nach dem Zweck etwas schwieriger. Denn eine Kurzgeschichte kann schlecht allein stehen, eine Schwalbe macht noch keinen Sommer 😉 So habe ich die Wahl: Entweder ich sammle spontan entstandene Kurzgeschichten und gebe selbst ein Buch damit heraus (wie letztlich tödlich). Oder ich beteilige mich an einem Wettbewerb oder an einer Anthologie. Dann ist das Thema vorgegeben, wie etwa „Wenn im Norden das Licht schmilzt“.

Doch die kurze Form hat ihre Nachteile. Man braucht ständig neue, möglichst originelle Ideen – das gilt sowohl fürs Geschichtenerzählen als auch fürs Handarbeiten. Es ist wie eine Produktion im Staccatorhythmus – auf die Dauer extrem anstrengend.

Außerdem ist es schön, auch einmal einen langen Atem beweisen zu können, seine Ideen auszubreiten, etwas Größeres zu (er)schaffen. Also einen Roman zu schreiben, einen Norwegerpullover zu stricken, eine Patchworkdecke zu häkeln. Werde ich dabei etwas kurzatmig, dann gibt’s bald ein neues Häkelblümchen, dann lasse ich den Text ruhen und schiebe eine Short Story dazwischen.

Ich liebe es, nach Belieben zwischen den Formen wechseln zu können, das verstärkt das befriedigende Gefühl der Selbstbestimmtheit. Nur eines darf ich dabei nicht ganz aus den Augen verlieren: den Abgabetermin für meinen nächsten Roman. Denn während der Winterpulli zur Not ein Jahr später als gedacht verschenkt wird, gibt es für die Buchproduktion einen Vertrag. (Zum Glück!)


Foto: Karla Letterman

Über Karla Letterman

Krimiautorin und Kolumnistin aus Lübeck. Stammt aus dem Harz und hat in Göttingen und Hamburg gelebt.
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