Tuckernd in die Zukunft

Aufnahme des FahrgastbetriebsHeute Nachmittag wurde in Lauenburg der Fahrgastbetrieb des autonom fahrenden Kleinbusses „TaBuLa“ aufgenommen. Die Abkürzung steht für „Testzentrum für automatisiert verkehrende Busse im Kreis Herzogtum Lauenburg“. Dass es sich um Testbetrieb handelt, merkt man schnell: Der putzig daherkommende Kleinbus fährt noch etwas stotternd, tuckernd in die Zukunft.

Das allerdings hat sein Gutes, denn es bedeutet, dass das Fahrzeug sicherheitshalber hält, wenn ein Hindernis im Weg ist. Ob es sich um einen Menschen (nicht vorgekommen bei der Testfahrt), eine Katze (nicht vorgekommen), ein Nilpferd (nicht vorgekommen), einen Tiger oder um einen Falschparker handelt: der Kleinbus stoppt.

Ferenc FarkasZwei erfahrene Lauenburger Busfahrer sind als Projektbegleiter mit unterwegs, Aparslan Barcin und Ferenc Farkas. Während Wissenschaftlerinnen von der TU Hamburg-Harburg am Infostand am Lauenburger ZOB Fragen potenzieller Fahrgäste beantworten, sorgen Barcin und Farkas abwechselnd dafür, dass der Kleinbus aus vermeintlich ausweglosen Situationen herausgesteuert wird.

„Ampeln erkennt er noch nicht“, erklärt eine junge Wissenschaftlerin, „das ist erst beim nächsten Software-Update dran.“

Kontrolle wird protokolliert

Der TaBuLa-Bus in Lauenburg

Foto: Sigrid Urban

Die TU Hamburg-Harburg (TUHH) begleitet die Forschung, hat aber weder den Bus gebaut noch die Software entwickelt. Die stammt vielmehr von einem französischen Hersteller. „Wer ist eigentlich verantwortlich, wenn der Bus jemanden anfährt?“, will ein Gast bei der zweiten Probefahrt an diesem Nachmittag wissen. „Das kommt ganz darauf an, in welchem Modus das Fahrzeug fährt“, erklärt Ferenc Farkas. „Wenn ich die Kontrolle übernommen habe, z.B. auf ‚GO’ geklickt habe, bin ich verantwortlich. Aber sobald ich die Steuerung ans Fahrzeug zurück übergeben habe, ist der Hersteller in der Pflicht.“ Diese Kontrollübergaben werden genauestens protokolliert.

Ein Linienbus drängeltVorführeffekt: Bei der zweiten, etwas größeren Probefahrt streikt der Bus vor einer großen Ampel, an der Einmündung zur Bundesstraße. Er mag einfach nicht anfahren, auch als Farkas die Steuerung übernimmt. „Jetzt hat er zu lange gestanden“, erläutert der Projektbegleiter. Die wartenden PKWs überholen ungeduldig, scheren dicht vor dem „TaBuLa“-Wagen wieder ein, bedrängen ihn auf diese Weise. Der Schritt zu den Robotertaxis ist noch groß.

Glatt läuft es noch nicht. Der Kleinbus schiebt sich wahrlich tuckernd in die Zukunft, Stückchen für Stückchen. Wer von den Testfahrgästen geglaubt hat, die neue grell-gelbe Fahrbahnmarkierung weise dem Fahrzeug die Route, wird eines Besseren belehrt. „Wir haben die Straße neu aufgeteilt, um Parkflächen zu markieren“, erläutern die Forscherinnen. „Die Navigation erfolgt aber über GPS.“

Ergänzung des Linienverkehrs

Der autonome Kleinbus TaBuLaDie beiden Lauenburger Busfahrer, die sich darauf eingelassen haben, die neue Technik einzuführen, haben eine dreimonatige Weiterbildung absolviert. Man merkt ihnen den Eifer an, ihr Wissen zu vermitteln. „Das ist nicht selbstverständlich“, betont eine der Wissenschaftlerinnen. „Denn viele Busfahrer fürchten um ihren Job und verweigern sich der neuen Technik.“

Das ist nachvollziehbar. Doch die offiziellen Pläne besagen, dass der autonome Busverkehr den Linienverkehr auf absehbare Zeit nicht ersetzen kann und wird. Vielmehr ist angedacht, eine Ergänzung für Randzeiten oder eine Art Bus-on-demand einzurichten.

Der Kleibus fährt eine Haltestelle anWarum gerade in Lauenburg? Weil es hier anspruchsvolle Routen gibt: schmale Straßen in der Altstadt, große Steigung, holpriges Pflaster. „Wenn es hier klappt, kann der Bus auch in anderen ländlichen Gebieten fahren“, erläutert Busfahrer Barcin. Und davon gibt es in Schleswig-Holstein schließlich einige.

Mit dem Thema Autonomes Fahren befasst sich übrigens auch der Roman „Jenseits der Spur„.


Fotos: Sigrid Urban (1); Karla Letterman

Über Karla Letterman

Krimiautorin und Kolumnistin aus Lübeck. Stammt aus dem Harz und hat in Göttingen und Hamburg gelebt.
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