Eine Freundin berichtete heute von ihrer Erfahrung mit dem Mädchenfänger. Unangenehm sei es gewesen. Schmerzhaft. Dabei ist sie nicht etwa einer dubiosen Internetbekanntschaft auf den Leim gegangen. Sie machte Bekanntschaft mit einem medizinischen Gerät, das man (immer noch) so nennt. Erstaunlich, welch wunderliche Weibs-Bilder nach wie vor kursieren!
Dass man Tiefdruckgebieten in Europa nur weibliche Vornamen gab, fiel erst 1990 auf, als die Orkantiefs Vivian und Wiebke kurz nacheinander wüteten. Frauen wollten die Gleichung Schlechtwetter = weiblich nicht länger hinnehmen, und die Namensvergabe wurde gerechter.
Doch was ist ein bisschen Sturm gegen schweres Kriegsgeschütz? Die dicke Bertha, eine der bekanntesten Waffen des Ersten Weltkriegs, ist legendär. Skurril, dass gerade eine Waffe einen Frauennamen erhält. Gilt doch Krieg bei uns bis heute – auch in Zeiten von Verteidigungsministerinnen – als männliche Bastion.
Ähnlich befremdlich erscheint die Namensgebung eines Tunnelbohrers. Mann lasse sich das auf der Zunge zergehen: DER TunnelBOHRER ist weiblich! Die Rede ist von Trude, der Maschine, die zwischen 1997 und 2000 die vierte Tunnelröhre unter der Elbe freischnitt. Waren da etwa Verfechter des Penisneids am Werk? Oder schwirrten den Taufpaten einfach nur wunderliche Weibs-Bilder durchs Hirn, derer sie sich nicht schämten?
Am Kartoffelstand
Na gut, höre ich auf zu psychologisieren und begebe mich auf den Wochenmarkt. Und wer oder was lächelt mir prompt am Kartoffelstand entgegen? Jawohl, Annabelle, Anuschka und Gloria! Ob ich davon, wenn ich den Mädchenfänger einsetzte, welche klauen könnte? Leider verfüge ich über kein anderes Gerät als Euro und Jutebeutel, und so sacke ich schließlich zwei Kilo Annabelle ein.
Auf dem Heimweg komme ich ins Grübeln: Habe ich nicht auch schon Sorten mit neutraleren Namen gekauft? Im Geiste gehe ich die Liste berühmter Erdknollen durch. Linda war lange Zeit wortwörtlich in aller Munde. Der Laura mit der roten Schale fühle ich mich schon aus familiären Gründen eng verbunden. Monalisa: so knackig wie schön. Alles Frauennamen.
Dann fallen sie mir doch noch ein, die Bamberger Hörnchen. Und – war das nicht die Lieblingssorte meiner Oma? – die Rosa Tannenzapfen. Hand aufs Herz: Ein Tannenzapfen, sei er nun rosa oder sogar knallrot, würde sich doch auch als Tunnelbohrer eignen, oder?
Foto: Karla Letterman