Wer den ›Herzenswunsch‹ eines kleinen, kranken Kindes infrage stellt, gilt schnell als hartherzig. Ich riskiere das. Denn die Berichterstattung der von uns abonnierten Lokalzeitung bietet m.E. reichlich Anlass zur Kritik. Statt sachlich zu berichten, setzt sie wie ein Boulevard-Blatt auf die Herz-Schmerz-Karte. Stadt verbietet Motorrad-Korso für den kleinen Matheo, so titelten die Lübecker Nachrichten (LN) am Donnerstag.
Was war passiert?
Die Eltern von Matheo, der von Geburt an lungenkrank ist, hatten die Idee, ihren Sohn zu seinem zweiten Geburtstag mit einem wahren Knaller zu überraschen. ›Matheo liebt alles, was fährt‹, erklärt die Mutter, und insbesondere Motorräder. Deshalb schrieb die Frau diverse Biker-Gruppen an, ob sie nicht an ihrem Haus vorbeiknattern könnten, um dem Kleinen eine Freude zu machen. Tatsächlich seien 1000 Zusagen gekommen. Doch dann versagt die Stadt Lübeck die Genehmigung – ein Aufreger in den sozialen Netzwerken und in den LN.
Moment mal.
Weiß Matheo von seinem Wunsch? Oder ist es der Wunsch der Eltern, die ihr tristes Leben (beide sind arbeitslos und leben in ständiger Sorge um ihr Kind) gern um etwas Großes, Sensationelles (und Berichtenswertes) angereichert hätten?
Was bringt eine halbe Stunde Getöse vorm Haus einem Zweijährigen? Gewiss, ein Motorrad-Korso macht was her. (Hoffentlich erschreckt er das Kleinkind nicht.) Doch konsequent weitergedacht: Wenn man eh den Anspruch formuliert, einem kranken Kind müsse jeder Wunsch erfüllt werden – warum dann nicht gleich eine Panzerparade? Die macht noch viel mehr her!
Stehen Menschen, die die moralische Keule schwingen, über dem Gesetz? ›Einfach mal alle fünfe gerade sein lassen und einem kleinen Menschen einen Herzenswunsch erfüllen, wird doch wohl möglich sein‹, ereifert sich eine Userin auf Facebook. Und eine andere schreibt dort: ›Die Hansestadt Lübeck soll sich was schämen … einen kleinen kranken jungen so einen Wunsch abzuschlagen, pfui Teufel, ich hoffe ihr kommt nie in so eine Situation. Armselig ist das …‹ Fakt ist: ein Motorrad-Korso muss mit drei Wochen Vorlauf beantragt werden, damit die Stadt ein Sicherheitskonzept erstellen und Ordner organisieren kann. Laut Pressesprecherin der Stadt ging die Anfrage der Familie erst fünf Tage vor dem geplanten Termin ein. Die Facebook-Aufreger kümmern derart banale Beschränkungen freilich nicht. Sie verweisen auf die Krankheit des Kindes und fühlen sich damit automatisch im Recht.
Doch zum Glück gibt es ja noch die Guten in unserem Land! Biker aus nah und fern (Kiel bis Berlin) hatten zugesagt, die Aktion zu unterstützen. Und die Stadt äußert sich gegenüber Eltern und LN: Mit genügend Vorlauf könne ein Korso genehmigt werden.
Ich bin sehr gespannt, wie die Empörungs-Öffentlichkeit darauf regieren wird! Wird es heißen: Nein, nun ist es zu spät, die Freude wäre nur am Geburtstag angekommen?
Die Antwort der Eltern könnte möglicherweise entlarvend sein.