Das Missverständnis

Leon mit FahrradIch also zurück auf die Hauptstraße, schnell an der Bushaltestelle vorbei, dann am Nähgeschäft, dann am Teegeschäft. Dann in die Schulstraße rein und nach rechts geguckt – puh, das Objekt ist noch da. Sitzt noch, Rollator neben der Bank abgestellt, und summt vor sich hin. Ein ganzes Liederbuch summt sie. Ich renke mir wieder fast den Hals aus. Also mache ich den Trick nochmal rückwärts. Und dann das gleiche nochmal. Boah, so als Beschatter ist es auch nicht immer lustig…

Endlich! Ich sehe gerade noch, wie das Objekt den Rollator in die alte Tür reinzieht. Jetzt kann ich weitermachen. Und was lese ich auf dem Klingelschild? „Heitermann“! Hier wohnt also der alte Heinrich mit den Mörderknochen. Das merke ich mir!

Was für ein doofes Missverständnis!

Es ist keine Gefahr im Verzug. Die bunte Oma bringt den nicht um, und wenn, dann schlägt er zurück! Aber mich bringt mein Hunger gleich um. Ich gucke auf die Uhr. Mann, ich habe fast sechs Schichten allein gemacht! Jetzt geht’s nach Hause, und mit Leon, das überlege ich morgen weiter.

„Pssst. Igor!“ Ich hab mich ganz schön erschrocken! Leon stand an der Ecke Germelmannstraße und hatte eine Skibrille auf. Er war hinter Oma Müller her. Ich natürlich voll sauer, doch er konnte es erklären. „Du hast geschrieben OHHO. Also: Obere Hauptstraße, Heulsuse, Outdoor.“ Er hatte sich nur gewundert, dass ich nicht da war. Was für ein Missverständnis!
Doch jetzt konnte er die Aktion abbrechen, das gefährliche Objekt war ja beim verwitterten Heinrich. Wir konnten beide Feierabend machen.


Foto: jklugiewicz/Pixaby

Über Karla Letterman

Krimiautorin und Kolumnistin aus Lübeck. Stammt aus dem Harz und hat in Göttingen und Hamburg gelebt.
Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.