Windeln kaufen für Schwerhörige

Mit einer alten Frau in die Drogerie zu gehen ist wirklich kein Spaß! Da musst du dann Zahnreiniger im Regal suchen oder so halbe Windeln, die sie Einlagen nennen, durch die Gegend schleppen. Ist doch klar, dass der Oma die peinlichen Sachen immer erst einfallen, wenn man schon an der Kasse steht. „Hach, Kleiner,“ sagt sie dann, weil sie sich natürlich nicht die Mühe macht sich deinen Namen zu merken, „hach, hol doch noch mal eben ein Paket Slipeinlagen, aber die saugfähigen, die in der rosa Packung!“ Gestern kam Sophie aus meiner Klasse vorbei, als ich gerade die rosa Packung gesucht hab. Die hat vielleicht geguckt! Ich bin voll rot geworden. Dann hat sich Sophie die Hand vor den Mund gehalten und so getan als würde sie nur ganz heimlich kichern. War natürlich nicht so, durch die Hand und das ganze Gehabe war es nur noch auffälliger.
Als ich dann zur Kasse kam, war es die falsche Packung. „Ach, du Dummerchen, doch nicht diese!“, rief mein Quälgeist, „ich habe doch extra ‚rosa’ gesagt. Diese hier ist pink, das ist doch nicht rosa!“ Fast hätte ich alles hingeworfen. Doch dann fiel mir noch rechtzeitig ein, dass mein Angeberpolizist sich dann bestimmt die nächste Gemeinheit ausdenken würde. Also blieb mir nichts anderes übrig als nochmal loszulatschen. „Hier sind Ihre Windeln in der rosa Packung, die besonders saugfähigen!“, habe ich verkündet als ich wieder zurück war. Mag sein dass ich dabei nicht super-leise gesprochen habe. Aber solche Omas sind ja oft schwerhörig. Da darf man doch nicht flüstern.

Verschiedene Schwerhörigkeit

Meine eigene Oma ist auch schwerhörig, aber nur manchmal, zum Beispiel wenn Larissa sie fragt ob sie mal am Abend auf mich aufpassen kann. Verstehen sich nicht so gut, die beiden, nicht nur wegen der Schwerhörigkeit. Zum Glück gibt es ja noch Hilde, das ist Larissas Oma, also meine Uroma. Cool, wenn die auf mich aufpasst! Sie  kommt immer schon früher und macht was Leckeres zum Abendbrot, Kartoffelpuffer oder Bratkartoffeln oder Chilifrikadellen. Hilde ist kein bisschen schwerhörig, obwohl sie schon ganz schön alt ist. Sie braucht auch noch keinen Rollator wie die Block-Omas.
Die Lippenstiftoma ist gar nicht so ätzend wie Marvin und ich am Anfang dachten. Eigentlich ist sie sogar die netteste von allen. Zwar wackelt sie immer mal mit dem Hintern und benutzt echt krasse Farben für ihre Lippen und Schuhe. Aber sie braucht keine Einlagen, und sie ist nicht so weinerlich. Sie schimpft nicht dauernd über die Jugend von heute. Und sie spendiert mal Kaugummis oder ’n Schokoriegel. Die anderen sind nicht so locker, und ich glaube sie mögen die bunte Oma nicht. Zwar sagen sie immer „Hach, Frau Opitz, schön Sie zu sehen“, aber die Stimme klingt dann hoch und irgendwie verstellt. Oder sie sagen „Hach, Frau Opitz, Sie haben aber heute wieder einen besonders schönen Schal ausgesucht!“ und zwinkern sich dabei hinter ihrem Rücken zu.
Marvin und ich haben uns Spitznamen für alle Blockomas ausgedacht. Wir sagen zu denen immer schön brav „Guten Tag, Frau Schmidt“, „Natürlich, Frau Raabe“ usw. Aber unter uns sagen wir zu Frau Raabe nur „die alte Krähe“, weil sie immer so schadenfroh krächzt. Frau Müller ist „die alte Heulsuse“, die beschwert sich über die Öffnungszeiten vom Vitamar, von der Stadtverwaltung und von den Geschäften, obwohl sie doch den ganzen Tag Zeit hat. Sie klagt auch über den Musikgeschmack der jungen Leute, und damit meint sie ihre Tochter, die schon 43 ist. „Heul doch!“, hat Marvin neulich zu ihr gesagt, das ist ihm so rausgerutscht, als es ihm einfach zu viel wurde. Zum Glück gehört die Heulsuse zu den Schwerhörigen.
Ich kann mich leider nicht weiter taub stellen, Larissas Stimme ist schon leicht schrill. „Igor, der Müll!“, kreischt sie, und wenn ich noch länger warte, kommt wieder Gläser abtrocknen oder sowas dazu. „Ja-ha, Mamilein, bin schon auf dem We-eg …!“

Über Karla Letterman

Krimiautorin und Kolumnistin aus Lübeck. Stammt aus dem Harz und hat in Göttingen und Hamburg gelebt.
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