Ein Fotoprojekt erobert die Welt: winzige Kinder mit riesigen Hunden. Der russische Fotograf Andy Seliverstoff hat eine Serie daraus gemacht (http://www.greatdane.photography/Prints/Little-Kids-and-their-Big-Dogs/), ein Buch veröffentlicht, und Fotojournalisten jubeln, wieviel „Liebe, Mitgefühl, Freude, Vertrauen und Akzeptanz“ darin zum Ausdruck komme (siehe Ausgabe 2/2017 der „PP Photo Presse“ (http://photopresse.de/).
Keine Frage, die Bilder sind technisch brillant und klug konzipiert. Warum stoßen sie mich ab? Für mich ist der Kick, der hinter der Motivwahl steckt, pervers: Sie wirken ja ganz einig, Menschlein und Tier – doch wer weiß, was im nächsten Moment passiert? Erzähle mir keiner, es gehe, so die PP, „auf bezaubernde Weise“, darum, wie sich Kinder und Hunde „mit Ehrlichkeit, Verständnis und Aufrichtigkeit begegnen“. Wer diese Regungen Tieren zuschreibt, vermenschlicht sie. Und für rührende Begegnungsfotos hätten es auch Dackel oder Retriever getan.
Sind Zweijährige urteilsfähig?
Natürlich bezieht das Projekt seinen Reiz aus der latenten Bedrohung. Wenn sich das Gegenüber freiwillig der Situation stellt (siehe etwa die Hyänen-Männer aus Nigeria, http://www.faz.net/aktuell/reise/fern/nigeria-die-herren-der-hyaenen-1514874.html), kann ich damit leben. Doch braucht man nicht Lebenserfahrung für fundierte Freiwilligkeit? Ist eine Zweijährige soweit urteilsfähig?
Ich höre sie schon höhnen, die Produzenten der Serie und die Kindeseltern: Natürlich war jede Gefahr für die Kinder ausgeschlossen, oder ob man etwa unterstelle, ihre kostbaren Hunde seien so ungezogen wie der der räudige Hasso vom Hinterhof-Aso? Doch mögen Wolfshund ‚Morgan‘ und Bordeauxdogge ‚Tsypa‘ noch so sorgfältig domestiziert sein: Sie bleiben Tiere. Wer denkt, sie bis ins Letzte beherrschen zu können, ist meiner Meinung nach größenwahnsinng. Und um seine vermeintliche Größe und Coolness zu Schau zu stellen, instrumentalisiert man das eigene Kind.
Vor meinem geistigen Auge sehe ich eines dieser Kinder, sagen wir Ilya, in 60 Jahren eine hippe Fotografin engagieren. Die nimmt folgende Szene auf: Ilyas gebrechlicher Vater kauert sabbernd im goldenen Lehnstuhl, davor wacht Siri. Hübsch anzusehen mit ihren perfekten Muskeln. Eine sibirische Tigerin in Hab-Acht-Stellung.