Von der Jahrhundert-Mondfinsternis am 27. Juli gibt es technisch herausragende Fotos. Warum steuere ich dann nur Bildrauschen mit undeutlichem Ball am Himmel bei? Ganz einfach…… weil es das ist, was ich gesehen habe. Und das ist nicht schlechter als die astronomisch wertvollen Aufnahmen. Es ist nur etwas ganz anderes.
Was ich am späten Abend des 27. Juli von der Lübecker Marienbrücke aus beobachten konnte, war Mond gewordene Poesie.
Ich werde nie vergessen, wie groß die Enttäuschung war, als wir gegen halb elf auf der Brücke eintrafen. Die Blickrichtung stimmte, auch Lübecks berühmte sieben Türme strahlten um die Wette, als wollten auch sie bei diesem Jahrhundertereignis besonders glänzen. Allein der Hauptdarsteller – er zierte sich. Das hoffnungsfrohe Publikum sprach sich gegenseitig Mut zu: Nur ein wenig Geduld, das wird schon noch. (Den Gesichtern jedoch war anzusehen, wer sich hinaus aus der Stadt aufs neonlichtfreie Feld sehnte.)
Plötzlich wies eine Frau zur Marienkirche: Da, ein ganz schwacher Umriss! Wie riesig!
Wenn man die Augen zusammenkniff, konnte man sehen: eine Ahnung von Mond, rosarot, zart, noch schüchtern in seiner Schönheit. Und damit hatte das großartige Schauspiel begonnen. Denn von nun an ließ sich die Silhouette bei ihrer Wandlung betrachten, ihrer Wandlung zu einer plastisch schillernden Kugel im Blutorangengewand.
Viele zückten wie ich ihr Handy, ließen sich verzücken vom Ballett für einen Nachtzauberer.
Die Stimmung auf der Brücke war ganz unaufgeregt und ungeplant feierlich. Manchmal reicht, was man mit bloßem Auge sieht, wenn man nur das Erleben noch nicht verlernt hat…
Fotos: Karla Letterman