Leon war vor der Pause ganz hibbelig, das konnte ich sehen, ich sitze ja jetzt hinter ihm. Habe mit Bingo den Platz getauscht, dem war sofort klar, dass ich nicht mehr neben dem Dönerkind sitzen kann. Naja, Bingo sagt natürlich noch M…, aber ich nicht.
Kaum hat es geklingelt, ist Leon bei mir. „Wir müssen die beschatten. Damit nix passiert. Oder wenn, dann kriegen wir’s jedenfalls mit.“ Ich dachte, er meint vielleicht die Alten von M… und hab’s nicht so ganz kapiert. „Was soll denn passieren? Harakiri mit Dönerspieß, oder was?“
Krimi live
„Mann, Igor, ich meine doch die Block-Omas! Wenn sich die Lippenstiftoma rächen will und wen vergiftet. Weißkohl oder so…“ Eigentlich ist mir Weißkohl ziemlich egal. Aber Leons Idee klang krass nach Krimi live erleben, und da bin ich natürlich dabei! Würde nur gern wen Spannenderes beschatten. „Mensch, Igor, überleg mal“, meinte Leon, „an der Elefantenherde können wir cool üben. Wenn wir dann wissen, wie beschatten geht, kommen die Weiber dran.“ Leon hat neuerdings viele neue Ausdrücke. Zu den Mädchen sagt er jetzt Weiber, zu quatschen schnacken und statt Kumpel redet er von Buddy.
Leon hat gerafft dass ich M. nicht dabei haben will. Aber wir sollten „Buddy Laskowski“ einweihen, meinte er. Musste zugeben, dass das geiler klingt als Bingo. „Alter Pole“, sagte ich deshalb statt „alter Schwede“, wollte auch mal einen neuen Ausdruck benutzen. Weiß nicht ob Buddy L. das bemerkt hat, denn prompt schellte die Pausenendeglocke.
Wir konnten Bingo auch in der nächsten Pause nicht einweihen, denn er hing mit dem Halbtürken ab. Also mussten wir uns selber für mehr Schichten einteilen. Eine Schicht ist immer 20 Minuten. Wenn einer länger hinter einer Oma herschleicht, fällt das sonst auf, meint Leon, und da hat er Recht.
K für die alte Krähe
Wir haben uns noch einen geilen Code für die Übergabe ausgedacht. Erstmal welche Oma. O steht für Oma Opitz, also die bunte Oma. W, K, H, S stehen für die Spitznamen Weißkohl, Krähe, Heulsuse und Schnatterente. „Wie kürzen wir denn Heinrich ab?“, überlegte ich. „H haben wir schon.“ Schließlich gehört der auch irgendwie zur Elefantenherde, so als Wärter mit spitzen Knochen oder so. „AH für alter Heinrich.“ Guter Vorschlag von Leon.
Dann die Lohkäischonn, das sagt Leon jetzt zu Treffpunkten und geilen Orten und manchmal auch zur Schule. Bei uns ging es natürlich um die Hauptstraße. UH, die Untere Hauptstraße, geht bei uns bis Schwickert. MH, die mittlere, von Schwickert bis Bicke. Und die obere, also OH, von Bicke weiter zum Postplatz. „Was machen wir, wenn die noch weiter hinterm Postplatz rumwatscheln, beim Nähgeschäft oder so?“, wollte Leon wissen. „Dann sagen wir HH, für hintere Hauptstraße“, bestimmte ich.
Wenn man das Objekt nicht sieht…
Dann mussten wir noch einen Code für draußen oder drinnen festlegen. Doof, dass beides mit D anfängt. Doch mein schlauer Kumpel wusste schon wieder neue Ausdrücke. Hat mich nicht mehr so gewundert, außerdem hatte ich das auch schon gehört. I für inside, O für outside. Ist ja wichtig, dass man weiß wenn ein Objekt im Geschäft ist, dann muss man bei der Übergabe nicht nervös werden, wenn man es nicht gleich sieht. Objekt ist übrigens mein neuer Ausdruck. Hab ich von Alopa abgehört.
Jetzt werd ich ganz hibbelig, denn gleich geht’s los. Bin zur ersten Schicht eingeteilt. Ist natürlich die schwierigste, denn man muss ja erstmal ein Objekt aufspüren. Rest ist dann immer Übergabe. Und da weiß man vom Code, wohin man sich bewegen muss.
Habe überlegt, ob ich bei der Konditorei oder der Drogerie anfange. Eben ist mir noch eine bessere Idee gekommen. Ich warte vor der Apotheke. Da steht auch eine Bank, wo ich sitzen kann, dann fällt es gar nicht auf, dass ich Beschatter bin. Ha! Wenn Alopa wüsste…!
Foto:kolibri5/Pixaby