Schleswig-Holstein ist ein Flächenland, und die meisten Menschen leben auf den Dörfern – noch. Doch die Landflucht hat auch hier längst begonnen, jüngere Menschen zieht es in die Städte. Warum?
Die Politik macht demografischen Wandel und Globalisierung der Märkte für diesen Trend verantwortlich. Doch weit gefehlt! Eine neue Studie des Forschungsinstituts Letterman & Consorten deckt die Wahrheit auf …
Der Grund ist ebenso einleuchtend wie peinlich: Die Ortsnamen sind Schuld! „Wer will schon in Luschendorf oder Dummersdorf leben?“, fragt die Letterman-Studie die Landesregierung provokant.

Alle fahren schnell vorbei – Wer will schon nach Dunkelsdorf?
Detaillierte Interviews geben die Frustration der Bewohnerinnen und Bewohner jener Orte wieder. „Alle meine Freunde fragen, wann ich endlich hier wegziehe“, gibt ein junger Mann aus Dunkelsdorf (Gemeinde Ahrensbök) zu Protokoll, der anonym bleiben möchte. „Denn mein Dorf kann ja nur in Dunkeldeutschland liegen, glauben sie.“ Auch in Schafstedt (Kreis Dithmarschen) oder Bösdorf (Kreis Plön) wohnen jede Menge Leidensgenossen, denen die Vorurteile ihrer Mitmenschen das Leben schwer machen.
Eine 21-jährige pharmazeutisch-technische Assstentin aus dem Kreis Nordfriesland ist verzweifelt: „Mögliche Arbeitgeber fühlen sich verschaukelt, wenn ich ihnen meine Bewerbung schicke. Ich wolle doch nicht ernsthaft arbeiten, sagen sie!“ Die junge Frau wohnt in Witzwort. Muss sie sich für einen teuren Umzug verschulden, bevor sie endlich Geld verdienen kann?
Wenig verlockend klingen auch Rümpel, Schmachthagen (beide Kreis Stormarn), Mötzen und Schackendorf (Kreis Segeberg), Müssen (Kreis Herzogtum Lauenburg), Büttel (Kreis Steinburg), Altenkrempe (Kreis Ostholstein), Busenwurth, Zippelkoog und Krempel (Kreis Dithmarschen) oder gar Kotzenbüll (Kreis Nordfriesland).
Die Liste ließe sich fortsetzen. Doch so oder so stellt sich die Frage: Was tun? Schließlich hilft es den Betroffenen nicht, dass es in ihrem Bundesland auch verheißungsvoll klingende Orte wie Poppenbüll, Schönwalde oder Glückstadt gibt.
„Man kann nur offensiv damit umgehen!“, ist Benito-Herodes S. aus dem Kreis Segeberg überzeugt. Entsprechend entschlossen tritt der Stürmer des SV Todesfelde bei jedem Auswärtsspiel an – jüngst äußerst erfolgreich im Match gegen den VfB Lübeck.
„Wenn wir den VfB in der Tabelle überholt haben, wollen alle von Lübeck nach Todesfelde ziehen“, ist S. überzeugt. „Zumindest die Fußballer.“ Ob der Rest der Bevölkerung nachzieht, bleibt abzuwarten. Oder sollte die Politik – wie die Autor:innen der zitierten Studie empfehlen – lieber handeln? „Manchmal würden schon geringfügige Änderungen helfen“, regen sie an. So könne aus Luschendorf leicht Laschendorf werden, aus Kotzenbüll Katzenbüll, aus Müssen Nüssen und aus Schafstedt Scharfstedt. Derlei Änderungen seien durch Volksbegehren durchsetzbar, heißt es. Als Problem dürften sich ausgerechnet in diesem Fall allerdings die niedrigen Einwohnerzahlen erweisen …
Fotos: Letterman & Consorten