St. Lorenz Nord ist ein Lübecker Stadtteil mit fantastischer Autobahn-Anbindung und diversen vierspurigen Straßen. Auch hohe Häuser gibt es eine ganze Menge, und Menschen, die darin wohnen. Und die möchten manchmal Luft schnappen – doch spätestens dann stellen sie fest: St. Lorenz Nord ist ein Stadtteil mit erschütternd wenig Grün.
Aber nun kündigt sich der Frühling im Stadtteil an, und zwar beileibe nicht nur der übliche Aprilwärme-Schnickschnack mit Weidenkätzchen und bunten Primeltupfern in putzigen Vorgärten.
Nein, St. Lorenz Nord steht ein wahrer Aufbruch bevor, ein Naturwunder! Denn auf einem ehemaligen Kleingartengelände soll eine grüne Oase entstehen.
Vom geplanten „Naturerlebnisraum“ berichteten die Lübecker Nachrichten bereits im vorigen Sommer, denn im August wurde sozusagen der Grundstein gelegt: Organisatoren, die sich berufen fühlten, pflanzten gemeinsam ein Pflaumenbäumchen.
Der Erlebnisraum, so hieß es in dem Artikel, solle Mitte 2025 eröffnet werden, und die Kinder der Kita aus der nahegelegenen Kerckringstraße, die die Pflanzaktion seinerzeit bestaunen durften, warten bestimmt schon sehnsüchtig darauf. Schließlich ist das Gelände einen Hektar groß, und man kann bestimmt wunderbar über Stock und Stein toben. Kleine Entdecker sollen freies Spielen erlernen, so formulierte es eine Dame von der städtischen Umweltbehörde.
Ob sich die Erzieher:innen genauso freuen? Immerhin steht ihnen ein ganz besonderes Stück Weg bevor, auf dem sie die Kleinen gut beaufsichtigen müssen. Denn der Haken an dem Naturräumchen ist: Es liegt, von breiten, stark befahrenen Zubringerstraßen eingekesselt, direkt an der Autobahn A1.
Der Weg dorthin führt über laute Kreuzungen und durch eine düstere Unterführung. Um es positiv auszudrücken: Wenn man dort angelangt ist, freut man sich wirklich auf ein Erholungspäuschen!
Doch wird es wirklich erholsam? Abgesehen vom Lärm, den die über die Autobahnzubringer rasenden Fahrzeuge verursachen, wäre auch noch eine ganze Menge zu tun, um das verwahrloste Areal urbar zu machen. Bislang sei „das Gelände noch nicht richtig erschlossen“, räumten auch die Vertreter von Stadt und Organisationen ein, die beim Baumpflanztermin munter in die Kameras grinsten.
Anstatt allerdings zwei, drei effektive Maschinen und eine Handvoll gelernte Arbeitskräfte zu spendieren, setzt die Hansestadt auf Ehrenamtliche. Diese sollen nicht nur wild wucherndes Brombeergestrüpp entfernen, sondern auch Wege ebnen und Sitzgelegenheiten bauen.
Im Winterhalbjahr war im Autobahnwinkel noch nichts Oasenartiges zu entdecken. Ein verblasstes Papierschild kündigte eine nächste Führung über das Gelände an. Wahrscheinlich, um weitere ehrenamtliche Kräfte anzulocken. Oder ist das schon der Erlebnisraum: Ein Abenteuerspielplatz für arbeitswütige Schwerhörige?
Fotos: Karla Letterman