Finstere Zeiten

Karla Letterman steht in einer alten GefängniszelleEs waren finstere Zeiten, in denen das Lübecker Burgkloster als Untersuchungsgefängnis genutzt wurde. Heute ist es Teil des Hansemuseums und kann besichtigt werden. Sehr beklemmend ist es, wenn man sich in eine der beiden noch erhaltenen Gefängniszellen stellt und die Tür schließt.

Die Ausstattung ist denkbar karg: Toilettenschüssel, hochklappbare Pritsche, vergittertes Fenster. Doch selbst wenn man einige bedrückende Minuten in der Zelle verbringt, reicht die Fantasie kaum aus, um sich in Menschen hineinzuversetzen, die hier von der Justiz eingesperrt waren.

Bis 1962 war das ehemalige Kloster Teil des Landgerichts und des Untersuchungsgefängnisses Lübeck-Stadt. Während der Hitler-Diktatur hielt man hier zwei der später als Lübecker Märtyrer bekanntgewordenen Geistlichen interniert: die Kapläne Eduard Müller und Johannes Prassek. Sie wurden zusammen mit Vikar Hermann Lange und dem evangelischen Pastor Karl Friedrich Stellbrink am 23. Juni 1943 zum Tode verurteilt. Ihr „Verbechen“ hatte darin bestanden, öffentlich gegen das Nazi-Regime Stellung zu beziehen.

Karla Letterman sieht sich Räume mit düsterer Geschichte anDüstere Ausstrahlung

Der Senat des Volksgerichtshofes in Lübeck unter Vorsitz von Wilhelm Crohne sprach das Urteil im heute nicht mehr erhaltenen Schwurgerichtssaal. (Der Schöffengerichtssaal, dessen Austrahlung vergleichbar sein soll, ist heute noch im Burgkloster zu besichtigen.)

Die Justiz lehnte mehrere Gnadengesuche ab, stattdessen wurden die Urteile am 10. November 1943 in Hamburg vollstreckt.

Die Ausstrahlung dieses Gebäudetraktes entspricht der düsteren Geschichte. Sie lässt alle, die nicht völlig unsensibel sind, finstere Zeiten spüren.


Fotos: Thomas Schmitt-Schech

Über Karla Letterman

Krimiautorin und Kolumnistin aus Lübeck. Stammt aus dem Harz und hat in Göttingen und Hamburg gelebt.
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