Karneval im Trio

Heute Morgen in der Bahn hockten die üblichen Pendler. Schüler, Handwerker, Angestellte. Darunter eine Menge Pinguine, wie meine Freundin Yvonne die Business-People, die was auf sich halten in ihrer schwarz-weißen Aufmachung, gern nennt. Normalerweise langweilen die mich zu Tode mit ihrem wichtigen Telefongeplapper und ödem Handy-Gedaddel.
Heute wurde es interessant: Fremdkörper hatten sich eingeschlichen! Verkleidete in der karnevalfreien Zone! Ein schickes Cowgirl plauderte mit einer hübschen Pippi Langbein und einer sexy Serviererin. Und siehe da: die müden Handwerker, die geschäftigen Mindworker, sie alle können tatsächlich miteinander reden!
Mir nichts dir nichts schwollen die ersten schüchternen Wortwechsel über regionale Karnevalskultur zu wahren Tiraden an! Ein Pinguin zog über „die ewig besoffenen Faschingsclowns“ her, drei Plätze weiter schimpfte einer lauthals über die Rücksichtslosigkeit lärmender Jecken. Weiter fanden die „aufgesetzte rheinische Fröhlichkeit“ und das „dieser Tage einseitige Fernsehprogramm“ wütende Erwähnung.
Auch an der Schülerinnenfront passierte etwas, es wurde gezischelt und getuschelt, mit dem Finger gezeigt und gekichert. Eine feistbeschenkelte Gerade-so-Jeansbezwingerin hielt das Serviererinnenröckchen für zu kurz. Ich konnte dabei zusehen, wie ihr Mitschüler seine bewundernde Bemerkung über die wohlgeformten Beine der Jeckin verschluckte und wunderte mich kein bisschen über seine ausgiebige Hustenattacke.
Als Pippi sich auf den Weg zur Toilette machte, begleiteten 50 Argusaugenpaare jede ihrer Bewegungen. Den Ruf „Na, Bier wegbringen?“ kommentierte das Mädchen nicht; vermutlich fühlte sie sich auch nicht angesprochen, denn alles was sie zu sich nahm war dicke Luft. Die jungen Damen hielten sich tapfer, zumindest ließen sie sich nichts anderes anmerken. Einmal, als das Cowgirl am Hut zu zupfen begann, befürchtete ich schon erste Auflösungserscheinungen  der hübschen Kostümierung, doch die Lady bedeckte nur etwas weiter die Stirn. Wie erleichtert mögen die drei gewesen sein, als sie ausstiegen!
Liebes Karnevalstrio, bitte, bitte zieht nicht nach Köln um, macht hier lieber weiter so charmante Werbung für die fünfte Jahreszeit!
Liebe Pinguine: wie kommt ihr dazu, über Karnevalskostüme am Rosenmontag zu lästern?!  Verkleidet ihr euch doch  fünf Tage die Woche als seriöse Geschäftsleute!
Und jetzt zu Euch, Ihr  Nörgelburschen und Lästerfrolleins jeglicher Couleur! Wen meint ihr, mit eurer albernen Masche zum Narren halten zu können? Andere schlecht machen um von den eigenen Macken abzulenken? Glaubt mir: dicke Beine kaschiert man am besten durch reizendes Lächeln! Grins!

Über Karla Letterman

Krimiautorin und Kolumnistin aus Lübeck. Stammt aus dem Harz und hat in Göttingen und Hamburg gelebt.
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