Hallöchen, Popöchen! Oder: Wie ich einem schrecklichen Konzert entfloh

Das Publikum ist freiwillig draußen

Man trifft sich besser vorm Saal – drinnen ist die Akustik unerträglich…

Am Mittwoch besuchte ich zum ersten Mal in meinem Leben ein Konzert des viel gepriesenen Schleswig-Holstein-Musikfestivals. Entsprechend hoch waren meine Erwartungen. Judith Holofernes tischte dem geneigten Publikum in der Lübecker Gollan-Werft die Erkenntnis „Ich bin das Chaos“ auf und hatte damit leider Recht. Allerdings in einem anderen Sinn als von ihr gemeint.

Statt nämlich intelligenter oder zumindest gewitzter nNDW-Singsang kam bei uns Zuhörern nur Klangbrei an. Ich konnte beim besten Willen keine auch nur ansatzweise positive Rezension verfassen. Dabei hatte ich mich sehr darauf gefreut, die Ex-Helden-Frontfrau live zu erleben. Ihre Liedtexte finde ich so làlà, aber in Interviews hat sie viel Pfiffiges gesagt, zum Beispiel gegenüber Spiegel Online. Da hätte ich doch gern verstanden, was sie auf der Bühne erzählt und trällert. Die miserable Aussteuerung hat es verhindert.

Die Treppenstufenperspektive

So wie mir ging es vielen anderen. Deshalb traf man sich – sofern man nicht gleich den Heimweg antrat – vor dem Saal mit der Bühne, denn dort draußen war die Akustik erträglicher. Zu verstehen war trotzdem nichts.

Sitzplätze gab es auch nicht, und so verbrachte ich die Wartezeit auf einer Treppenstufe hockend. Und was sah ich da?

Pralle Hinterschinken. Knackige Brötchen. Vertrocknete auch. Akkurate Billardkugeln. Ausgeleierte Schmerbäuche, paarweise falsch herum aufgehängt. Hübsch verpackte Marzipanlenden. Auf jeden Fall also: jede Menge Arsch in der Hose.

Den hätte ich mir auch von dem Techniker gewünscht, den ich auf die erbärmliche Tonqualität ansprach. „Ich verstehe alles eins A“, behauptete er, ohne rot zu werden. Zu dem würde ich also niemals sagen: Hallöchen, Popöchen! Denn das – das war das Positivste, was mir am Mittwochabend durch den Kopf ging.


Fotos: Karla Letterman

Über Karla Letterman

Krimiautorin und Kolumnistin aus Lübeck. Stammt aus dem Harz und hat in Göttingen und Hamburg gelebt.
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