Fünf todsichere Tipps für langweilige Texte

Zum Rasen gebracht…oder: Wie man seine geneigte Leserschaft garantiert zum Eindösen bringt.

 

Manchmal bringt mich Lesen zum Rasen! Es gibt so, so, so grottenschlechte Texte. Haben denn manche Verlage kein Lektorat?

Ich jedenfalls hatte eben die Fantasie, Autor und Lektor zu erschießen. Zum Glück gab mir mein buddhistisch gebildeter Mitbewohner den Tipp, die tosende Energie produktiv umzusetzen. Dieser Beitrag ist das Ergebnis.

  1. Satzbau

    Baue die Worte schön gleichförmig zusammen. Wechsle bloß nicht zwischen kurzen und langen Sätzen! Verwende ausschließlich Hauptsätze. Warum, siehst du im Vergleich:
    A: Tom ging durch die Hauptstraße. Er suchte seinen Freund Markus. Markus war wahrscheinlich im Elektronikladen. Dort wollte er sich Lautsprecher ansehen. Das hatte er ihm gestern gesagt.
    B: Tom entschloss sich am Nachmittag, die Hauptstraße nach Markus abzusuchen. Er vermutete seinen Freund im Elektronikladen. „Lautsprecher!“, hatte Markus erklärt, „brauche neue Lautsprecher!“

  2. Verben

    Wozu gibt es die Worte gehen, sehen, verstehen? Zum Nutzen! Verzichte auf exotische Tätigkeitsworte. Sieh, warum:
    A: Tom ging durch die Hauptstraße. Er suchte seinen Freund Markus. Markus war wahrscheinlich im Elektronikladen. Dort wollte er sich Lautsprecher ansehen. Das hatte er ihm gestern gesagt.
    B: Tom wirbelte durch die Hauptstraße. Er forschte nach Markus, der sich womöglich in einem der Elektronikläden herumtrieb. Er lechze nach neuen Lautsprechern, hatte er Tom gestern hastig zugeraunt.

  3. Interpretation

    Leserinnen und Leser sind dumm. Mal mehr, mal weniger, doch auf jeden Fall bist du schlauer. Deshalb musst du deinen Leser/innen schon sagen, was du meinst, sonst machen sie sich noch ihr eigenes Bild. Das könnte sie vom Einschlafen abhalten.
    Sag: Markus stellte Tom seine Mutter vor. Tom ging um den Tisch herum und reichte der kräftigen Frau die Hand und begrüßte sie. Ihr fester Händedruck bestätigte Toms Einschätzung von einer selbstbewussten Frau.
    Und nicht: Markus führte Tom zum Esstisch, an dem eine Frau im strengen dunkelblauen Kostüm saß. Die Beine übergeschlagen, blätterte sie in einem bunten Magazin. Nach dem dritten „Hallo Mama!“ blickte sie ohne Hast auf. Markus schob seinen Freund vor sich her. „Das ist Tom, Mama“, stotterte er. Die Frau zerquetschte beinah die dargebotene Hand. „Aha.“

  1. Adjektive und Adverbien

    Rede den Leuten nach dem Mund. Ausgerechnet kurz vor dem Einschlummern möchte man sich nicht umstellen müssen!
    Also bitte: Markus fand Tom mega-cool. Er trug immer diese geniale schwarze Lederjacke und hatte eine geile Frisur.
    Statt: Mit seiner Haartolle, die an Langhaardackel nach Regen erinnerte, fiel Tom bei Markus’ Mutter glatt durch. Den freundlich glänzenden Stoff der schwarzen Jacke streifte sie mit einem kurzen Blick: Kunstleder. Sie schneuzte sich.

  1. Gedanken explizieren

    Verheimliche nie, was deine Protagonisten denken.
    „Ich habe Schnauze gesagt“, brüllte der Kidnapper die Geiseln heiser an. O Mann, ging es Markus durch den Kopf, vielleicht sollte ich jetzt lieber ruhig sein… Er presste die Lippen aufeinander. Hoffentlich, dachte er dann, hält Tom auch die Klappe. Sonst kriegt er noch Schwierigkeiten mit dem brutalen Kerl…
    Wenn deine Leserinnen jetzt noch nicht friedlich schnarchen, dann haben sie dich nicht verdient. Dann sind das hart gesottene Höllenhunde, die jeden Einsatz in Afghanistan überleben, oder sie waren schon dort und sind als Zombies zurückgekehrt.


Foto: StarlingRu/Fotolia.com

Über Karla Letterman

Krimiautorin und Kolumnistin aus Lübeck. Stammt aus dem Harz und hat in Göttingen und Hamburg gelebt.
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