Das Bestechungsgeschenk

Ich werde das Schwimmabzeichen in Silber machen. Wollte ich sowieso, nachdem das mit dem bronzenen Abzeichen so gut geklappt hat und ich mir als Belohnung eine echt coole Bade-Shorts aussuchen durfte. Habe keine mit albernen Fischen oder bunten Punkten oder so genommen, ist eher was für Kleinkinder, auch wenn Leon und Bingo noch so rumlaufen. Ich habe mir eine schwarze ausgesucht mit neongrünem Dreieck drauf. Nur links, voll asymmetrisch. Alopa hat ganz schön gestaunt, er war mit mir bei Rudolphi einkaufen. Er hat immer was Gemustertes in die Kabine geschleppt. Doch Elke, die Verkäuferin, hat geschnallt, dass mein Geschmack schon erwachsen ist. Sie hat Alopa überzeugt, dass er die ruhig nehmen kann, weil wir sie hätten umtauschen dürfen. „Wenn Ihre Frau streikt, bringen Sie sie einfach wieder. Das ist Service bei uns“, hat sie ihm erklärt. Da hat Alopa schon wieder gestaunt.

„Eagle-Eye hat Talent“

Larissa fand die Shorts super. Und sie war wirklich, wirklich immer noch stolz auf mich. „Eagle-Eye hat Talent“, hat Michael, der Schwimmlehrer, zu ihr gesagt. „Obwohl er ja bei dem Namen begabter für die Lüfte sein müsste, hä, hä.“ Sie hat den doofen Witz glatt überhört, ich natürlich nicht. Sowas merke ich mir. Kann man später immer mal gebrauchen, bestimmt.

Neulich kam Marion, meine Oma – nicht Larissas tolle Oma Hilde, sondern ihre Tochter, die immer schwer hört, wenn sie auf mich aufpassen soll – damit um die Ecke, dass ich doch für das nächste Schwimmabzeichen trainieren soll. „Er muss doch mal bald den Fahrtenschwimmer machen“, sagte sie, so hieß das wohl vor 100 Jahren.

Ich natürlich: mich geziert. Nee, lieber nicht, voll schwer und so, da muss man zweimal tauchen, was, wenn einem die Luft wegbleibt und man nicht wieder hochkommt… Wenn man bei Marion was rausholen will, muss man den richtigen Zeitpunkt abpassen. Und man muss sie kennen. Sie will den Schwimmkurs bezahlen. Heißt: sie hat großes Interesse, um es vorsichtig zu sagen. Klar: sie soll eine Zeitlang mittwochs einhüten, weil Larissa bei einer wichtigen Arbeitsgruppe mitmachen will und Alopa nicht garantieren kann, dass er dann Feierabend hat. Wie auch, als Kriminalkommissar?

Erst schon mal Currywurst

Marion hat Gefrierpunkt Bock auf mich, wie Bingo das nennt. Sie will nicht vorlesen, nichts mit mir unternehmen, nicht für mich kochen, nicht mal mit mir essen. „Die will dich nur wegorganisieren“, hat Marvin mal voll vorwurfsvoll gesagt und war echt empört, denn sowas kennt er aus seiner türkischen Familie nicht. Das alles stimmt, nur kann Marion es nicht zugeben. Sie will nicht als Rabenoma dastehen. Mir ist das egal, ich liebe sie auch nicht wirklich. Aber ihre Heuchelei kann man megamäßig ausnutzen!

Ich also 1000 mal so getan, als wollte ich nicht zum Schwimmkurs. Und was passiert? Die Bestechungsgeschenke werden immer üppiger! Zuerst hat sie mir eine Currywurst nach jeder Schwimmstunde versprochen. Ist für sie auch schön einfach, die gibt’s nämlich im Vitamar, da spart sie gleich die Küchenarbeit. Für mich cool, für Oma Marion noch kein großes Opfer. Als zweites noch Pommes dazu, Schranke. Dann sollte ich Buntstifte kriegen. Mann, war ich sauer! Das musste ich aber runterschlucken, bei sowas ist sie empfindlich. „Nein, Oma, laß man, davon habe ich schon genug.“ Ein Buch, mit Drachen? Schon besser. Doch zum Glück habe ich durchblicken lassen, dass ich ein Taschenmesser gebrauchen könnte. „Für die Schule, zum Schnitzenlernen, echt!“

Yippiehyeh!

Die Jungs sind richtig neidisch. „Dafür hast du ne krass liebe türkische Oma“, habe ich Marvin erinnert. Der hat vielleicht geguckt! Voll bedient.

Morgen fängt der Schwimmkurs an. Yippieh!!

Über Karla Letterman

Krimiautorin und Kolumnistin aus Lübeck. Stammt aus dem Harz und hat in Göttingen und Hamburg gelebt.
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